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Dr. Daniel Dettling

16. Juni 2021

„Kein Patient will unnötig lange im Krankenhaus bleiben“

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Interview AICURA - Daniel Lichterfeld

Wie lange ein Patient im Krankenhaus bleibt, hängt von vielen Faktoren ab. Eine App zur Vorhersage der stationären Verweildauer (VWD) soll die Patientenversorgung optimieren und das Entlassungsmanagement verbessern. 

Wie, darüber haben wir mit Daniel Lichterfeld, dem CEO und Gründer von AICURA Medical, gesprochen.

Herr Lichterfeld, was macht AICURA?

AICURA entwickelt eine Software-Plattform zum Lifecycle Management von medizinischen Daten und auf künstlicher Intelligenz basierenden Applikationen – KI-Apps – für die Gesundheitsindustrie und deren heterogenen Datensilos. Unsere Technologien bringen die KI-Apps zu den Daten und nicht die Daten zur KI-App. Dieses Vorgehen macht die Daten nutzbar aber bietet gleichzeitig höchsten Datenschutz. Die KI-Apps optimieren wirtschaftliche Prozesse oder unterstützen bei der Diagnosefindung- und Therapieentscheidung. Außerdem stellen wir Akteuren wie Pharmaunternehmen oder Medtech-Unternehmen mit unserer Plattform ein Werkzeug für die Entwicklung neuer Therapien und für die Umsetzung von klinischen Studien zur Verfügung. Beides spart Zeit und Kosten.
Ein ewiges Thema ist die Verweildauer eines Patienten im Krankenhaus. Gemeinsam mit KMS haben Sie eine Software zur Vorhersage der stationären Verweildauer entwickelt, die VWD-App. Worum geht es genau?
Es geht um die Analyse von Informationen wie Untersuchungs- oder Diagnosedaten in Bezug auf die Verweildauer eines Patienten. Wir haben eine KI-App entwickelt, welche die Informationen von mehr als einer Million Patienten analysiert und eine Vorhersage über die Verweildauer trifft. Ziel ist es, den Termin der Entlassung eines Patienten genauer voraussagen zu können, um frühzeitig den Entlassprozess planen zu können. Momentan werden die nachstationäre Behandlung oder eine Reha eher kurzfristig geplant. Die vorausschauende Planung, die durch die VWD-App ermöglicht wird, führt für das Krankenhaus zu erheblichen Vorteilen bei der Organisation und Steuerung der Patienten wie der Personalplanung.
Die durchschnittliche Verweildauer ist in Deutschland in den letzten Jahren nahezu konstant. Den Zahlen von Eurostat zufolge liegt sie bei neun Tagen, verglichen mit den Niederlanden ist das doppelt so lange. Lässt sich die Verweildauer mit Hilfe Ihrer App reduzieren?
Wenn die Verweildauer in den Niederlanden halb so hoch ist, dann besteht Optimierungsbedarf. Die reine Verweildauer allein hilft uns aber nicht weiter. Mit Hilfe der VWD-App lassen sich die Gründe für die längere Verweildauer analysieren. Das heißt, die verantwortlichen Mitarbeiter können viel schneller erkennen, wie sich das Krankenhausmanagement verbessern lässt. Kein Patient will unnötig lange im Krankenhaus bleiben. Es braucht eine optimale Balance von Therapie im und der Erholung nach dem Krankenhaus. Wir gehen davon aus, dass sich die durchschnittliche Verweildauer mit Hilfe der App reduzieren lässt. Wie stark, unterscheidet sich von Haus zu Haus.

Was haben die medizinische Berufsgruppen von der App?

In erster Linie unterstützt die VWD-App die Krankenhausmitarbeiter beim Entlassungsmanagement. Aber auch das Pflegepersonal wird durch die App unterstützt. Es wird nachvollziehbar, welche Faktoren einen Einfluss auf die Verweildauer haben. Wir unterstützen mit der VWD-App die organisatorische Planung im Krankenhaus. Wir ersetzen den Mitarbeiter nicht. Wir helfen, seine begrenzte Zeit effizienter einzusetzen.

Welche Technologien kommen zum Einsatz?

KI-App und Plattform benötigen den Zugriff auf die KMS Data Warehouse-Datenbank. Die KI-App wird mithilfe von Federated Learning entwickelt, das heißt, wir können die KI-App aufgrund von Informationen mehrerer Häuser entwickeln und so sämtlichen Häusern das gewonnene Wissen datenschutzkonform zur Verfügung stellen.

Eine große Herausforderung für alle Beteiligten ist die Zeit vor und nach der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus. Was ist hier bald möglich?

Systeme wie Recare profitieren von verlässlichen Informationen, um rechtzeitig Prozesse anstoßen zu können. Ziel ist, nachstationäre Aufenthalte so zu organisieren, dass sie unterbrechungsfrei ablaufen, ohne dass der Patient tagelang auf einen Platz warten muss.

Findet das bereits statt oder ist das noch Zukunftsmusik?

Die ersten Häuser werden bereits mit der VWD-App ausgestattet.

Was geschieht mit den Daten?

Die Daten bleiben, wo sie sind: Die medizinischen Daten verlassen das Krankenhaus nie. Unsere Plattform bekommt über das KMS Data Warehouse die Daten lokal zur Verfügung gestellt, wir verarbeiten diese und löschen sie anschließend. Dadurch ist der Datenschutz zu 100 Prozent gewährleistet.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Was kommt als Nächstes?

Künstliche Intelligenz wird das Gesundheitswesen in allen Bereichen verändern. McKinsey schätzte bereits 2018 das Einsparpotenzial durch KI allein im Krankenhaussektor auf 34 Milliarden EUR pro Jahr. Seitdem haben sich die Möglichkeiten nochmal mit großen Schritten weiterentwickelt. Wir stehen noch am Anfang dieser Entwicklung. Die IT-Landschaft wird sich auch in Deutschland radikal ändern. Die Unterstützung durch KI bei Diagnose und Therapie wird zunehmen. Pharmaunternehmen werden stärker mit den Krankenhäusern kooperieren, um moderne Therapien und Medikamente kostengünstiger zu entwickeln. Wir müssen beide Welten stärker vernetzen. Das ist eine Kultur-, aber auch eine Geldfrage. Wir wollen das Wissen in den Krankenhäusern in die Breite bringen und verstehen uns als Treiber dieser Entwicklung.

Die Zusammenarbeit mit der KMS ist für Sie ein Win-Win?

Absolut. Die mehr als 25-jährige Erfahrung der KMS mit dem Netzwerk von über 500 Kliniken, das Data Warehouse und das Verständnis gegenüber Machine Learning brauchen wir für die Entwicklung der richtigen Applikationen. Nichts ist schlimmer als eine Anwendung, die keiner braucht. Die VWD-App ist erst der Anfang.


Wir bedanken uns ganz herzlich für das interessante Interview!

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